Dominik kardinál Duka OP 
emeritní arcibiskup pražský

Homilie von Dominik Kardinal Duka Sárospatak      

Homilie von Dominik Kardinal Duka Sárospatak

Homilie von Dominik Kardinal Duka, OP, Ungarn, Sárospatak, den 5. Juni 2017.

9. Juni 2017
Predigten

 

Wir gedenken des Jahrestages der Geburt einer der bedeutendsten königlichen Töchter der Árpáden-Dynastie, wir können jedoch auch sagen, einer der bedeutendsten und bekanntesten Töchter der ungarischen Nation hier in Sárospatak. Für diese Tradition ziehen wir dem Pressburg (Poszony) den hiesigen Ort als Ort ihrer Geburt vor. Manches aus dem Leben der Hl. Elisabeth ist uns unbekannt und ist für uns nur schwer fassbar, aber das Wesentliche ist es uns möglich aus der Kenntnis der Epoche zu rekonstruieren und wir sind imstande, ihre Handlung völlig zu begreifen. Sie wurde in das Jahrhundert der Abkunft unserer christlichen Zivilisation geboren, oder wie man heutzutage in der säkularisierten Gesellschaft zu sagen pflegt, der Abkunft unserer westlichen Zivilisation, die jedoch nicht nur von der westlichen, sondern auch von der südlichen Hemisphäre repräsentiert wird. Verallgemeinernd gesagt sind das der europäische, amerikanische und australische Kontinent. Das, was beide Begriffe verknüpft, ist das Pronomen „unsere“. Es geht um das Jahrhundert der Kathedralen und Universitäten, das Jahrhundert, das die Symbiose von Jerusalem, Athen und Rom schuf. Diese drei Namen äußern in sich den Glauben, von dem das Buch der Bücher, die Bibel, die antike Philosophie und das Rechtssystem, zeugen. Unsere gegenwärtige Gesellschaft entfremdet sich aber nicht nur diesen drei genannten Grundpfeilern, noch mehr, sie hat sie in vielen ihrer Proklamationen sogar abgelehnt. Allein nur in diesem „Dreieck der erwähnten Städte“ ist es möglich, unsere Geschichte und die Krise zu verstehen, in der wir uns nun befinden. Unsere Lebensauffassung empört sich heute gegen die kalten Steine der Kathedralen und die anspruchsvolle Dialektik von Aristoteles. Deshalb werden auch Glaube, Vernunft und natürliches Recht abgelehnt. Das Ergebnis ist der Relativismus, die Moralkrise und die Zersetzung der Schulbildung. Johann Amos Comenius, der gerade hier seine pädagogischen Werke Orbis pictus und Schola ludus schrieb, würde sich darüber auch nicht freuen.


Wir leben in Zeiten der Umwandlungen und des allmählichen Entstehens einer neuen, vorwiegend von der Entwicklung der Technik, des riesigen und uns überhäufenden Informationszustroms faszinierten Zivilisation. Dies alles löst bei uns Desorientierung und Resignation aus.


Was kann uns die Hl. Elisabeth bringen, jene junge Frau, eher ein Mädchen, das das 13. Jahrhundert mitgestaltet hat? Sie wurde, wie wir annehmen, 1207 hier in Sárospatak dem ungarischen König Andreas II. und seiner Gemahlin Gertrud Andechs  geboren.  Es ist die Zeit der Regierung von  Friedrich Barbarossa, in Böhmen regiert Přemysl Ottokar I., der Vater der Hl. Agnes von Böhmen, und vor allem ist es die Zeit des Vierten Laterankonzils. Im Jahre 1221 heiratete die Elisabeth Ludwig  IV., den Landgrafen von Thüringen. Ihr Gatte stirbt 1227 beim Kreuzzug, was auch für sie eine tiefe Lebenserschütterung war, wie es in der Legende notiert ist: „Nun soll mir die ganze Welt und aller Reichtum und alles Ansehen gestorben sein.“ Die Vertreibung und das Enterben führt die Elisabeth dazu, dass sie ihr Leben ganz Gott in der Franziskanerregel geweiht. Sie stirbt im Jahre 1231 in ihrem 24. Lebensjahr und drei Jahre später ist sie heiliggesprochen.


Das tiefe geistige Ausmaß von ihrem Glauben bringt uns zur Erkenntnis der wahren Liebe und Mitmenschlichkeit. Der Glaube, die suchende Vernunft, nicht nur die Emotionen und Erlebnisse, dies alles bildet den moralischen Bau des Lebens der Gesellschaft ihrer Zeit, der wir das grundlegende Wertsystem verdanken. Das Wertsystem, das Gefasstheit, Maß, Gerechtigkeit und Tapferkeit von Glauben, Hoffnung und Liebe erhellt und von all dem es durchwoben ist, das die Charaktere der konkreten Gestalten des 13. Jahrhunderts mitbildet. Das größte Konzil der damaligen Zeit, das Vierte Laterankonzil aus dem Jahre 1215 wird nicht durch Papiere und Sitzungen verwirklicht, sondern vorwiegend von solchen Persönlichkeiten wie von der Hl. Elisabeth. Die Theologen, die Heiligen wie z.B. der Hl. Albertus Magnus, der Hl. Bonaventura, der Hl. Thomas von Aquin oder der Hl. Johannes Duns Scotus, die Männer der Universität und der Kathedrale, die die Erkenntnis der Vernunft mit der Herzensliebe vereinbaren, haben das bewunderungswerte System erbaut, in dem die Wissenschaft zum Leben kommt, die die Sittlichkeit nicht missachtet und fähig ist, mit Begeisterung die Spur Gottes in der ganzen Schöpfung  zu verfolgen und sie zu respektieren. Sie haben den Geistesbau errichtet, der mit der Vergangenheit gleichkommt und die Gegenwart überschreitet. Noch heute bewundern wir die Kathedralen genauso wie das geistliche Vermächtnis  der Universitäten.


Die Hl. Elisabeth gehört zur Plejade der Frauen, die diese Zeit mitgestalteten, zur Mystikerinnen und Lehrerinnen des Geisteslebens, zur Zuhörerinnen der Universitätsmeister im Kloster Helfta: der Hl. Mechthild von Hakeborn, der Hl. Gertrud der Großen und der Hl. Mechthild von Magdeburg. Die alle haben mit ihrem geistlichen Einfluss die Spiritualität der Gesellschaft beherrscht. Ihr Werk hat nicht nur den tschechischen Denker Thomas von Štítné, den Zeitgenossen von Karl IV., erstaunt, sondern auch Edith Stein (die Hl. Teresia Benedicta), die Philosophin des 20. Jahrhunderts. Neben diesen nachsinnenden Ordensschwestern steht hier fast wie ein Rosenkranz oder eine Frauenlitanei die der Árpáden-Familie entstammende Hl. Elisabeth, die sie alle mit ihrem Widerhall und auch ihrer Heiligsprechung überholt hat. Versuchen wir, diese Reihe aufzuzählen: die Hl. Hedwig von Schlesien (Tante), die Hl. Agnes von Böhmen (Cousine), die Hl. Margareta von Ungarn (Nichte), die Hl. Kinga von Polen (Nichte), die Hl. Elisabeth von Ungarn (Urnichte, ich habe mich nicht geirrt, es handelt sich um die Tochter von Andreas III.). Was bezeugt das Schicksal dieser Frauen? Die Frau im Mittelalter, das heißt die Frau von der unseren Gesellschaft, bemühte sich um Bildung und Lebensweisheit. Die Pflege um die Familie hat sie keineswegs von der Gesellschaft und von ihrem Streben nach Kultivierung isoliert. Es geht nicht nur um die Sozial- oder Wohltätigkeitspflege, sondern auch um die Führung des Landes in den Augenblicken, wenn es nötig war. Dies ist auch der Sinn der Tätigkeit der Hl. Elisabeth. Sie verlässt ihre Kinder nicht um der Schrulle des Ordenslebens willen, sondern als Witwe, der alles genommen wurde, sorgt sie um ihren Lebensunterhalt und ihre Bildung. Wir können sagen, dass sie als Inspiration für ihre Zeitgenossinnen aber auch für die kommenden Generationen von Frauen war, was ebenfalls die Existenz der Kongregation der Elisabethinnen bestätigt.


Ich stelle mir die Frage, sollten wir nicht hinter dieser Litanei den König, den Stephan I. den Heiligen, suchen, dessen geistlichem und politischem Leben all diese Frauen entwachsen sind? Ich kann nicht den Hl. Adalbert, den Bischof von Prag und meinen Vorgänger, unerwähnt lassen. Er war es, der an den Beratungen mit dem Kaiser Otto III. und dem Papst Silvester II. teilnimmt. Dieses Triumvirat legte die Grundlagen der Landkarte Europas des II. Jahrtausends, diese Männer nahmen in Europa, genannt Corpus christianorum, die drei geistlichen und politischen Zentren an: Gnesen, Esztergom und Prag. Drei Königreiche, die Erzbistümer, drei Primassitze gründeten so das Model der Kooperation zwischen der Welt des Geistes und der Technik der Regierung. Diese beiden Welten oder Instrumente sollen dem Menschen dienen. Gedenken wir des Nachlasses des Hl. Stephan seinem Sohne, den wir im Brevier an seinem Namenstag lesen.


Antemurale christianorum ist nicht nur ein Schutzwall gegen den äußeren Feind, es ist auch eine feste Gemeinschaft, in der das Bündnis der WAHRHEIT und der LIEBE zur Geltung kam und kommen muss. Das erinnert uns zwangsläufig an den Hl. Johannes Paul II.  in seinen Enzykliken. Wir erinnern uns hier an den Mann, dem wir die Befreiung vom Joch der kommunistischen Diktatur verdanken. Das verpflichtet uns alle, die Freiheit, in der uns der Raum zum Leben in Wahrheit und Liebe gewährt ist,  immer zu schützen. Dazu verpflichtet uns auch der Nachlass der großen Geistesautoritäten des 20. Jahrhunderts, zu denen auch die Primasse unserer Länder zählten, die Kardinäle: Jószef  Mindszenty, Stefan Wyszyński, Josef Beran oder Aloysius Stepinac. Visegrád, das Symbol, das aus dem Jahrhundert der Hl. Elisabeth herangewachsen ist, ist nicht nur ein politisches Symbol, sondern es ist auch eine Geistesaufgabe, die uns verbindet. Wir sind nicht nur arme Ankommende in die Gemeinschaft der europäischen Nationen, wir haben Europa mitgestaltet und auch mitverteidigt. Die Stimme der ungarischen Revolution aus dem Jahre 1956, des Kampfes um die politische und religiöse Freiheit, als auch um die die Souveränität muss in Europa respektiert werden, so wie es auch der ehemalige Außenminister Fürst Schwarzenberg gesagt hat. Das gilt vor allem heute, wann wir uns bedroht in unserer Freiheit fühlen, und zwar nicht nur von der Außengefahr, sondern aber vor allem in der Unterdrückung der Solidarität und Subsidiarität innerhalb der Gemeinschaft. Dies sind die Prinzipien, die von der unseren westlichen christlichen Zivilisation und Kultur stammen, ohne die es unmöglich ist, in der Zukunft unseres Kontinents und unserer Nationen fortzusetzen.


Möge die Fürsprache der Hl. Elisabeth und der ganzen „ Árpáden-Litanei“, als auch aller genannten Heiligen die ungarische Nation und die ganze von uns allen gemeinsam gebaute europäische Gemeinschaft schützen. Vielen Dank! Denn es lässt sich nicht der dauerhafte und besondere Anteil des ungarischen Staates an der Geschichte von Europa des II. Jahrtausends bestreiten!         

Amen

Jubiläum der Hl. Elisabeth von Thüringen
Homilie von Dominik Kardinal Duka, OP, Ungarn, Sárospatak, den 5. Juni 2017