Dominik kardinál Duka OP 
emeritní arcibiskup pražský

Vesperpredigt in Hamburg

Vesperpredigt in Hamburg

Kardinal Dominik Duka OP hat am 10. Februar 2013 an der Glaubenswoche (St. Ansgar Woche) in Hamburg teilgenommen. Er hat da auch die Vesperpredigt in  der Hauptkirche St. Michaelis vorgetragen.

25. Februar 2013
Predigten

Sehr geehrter, lieber Herr Erzbischof Thissen, liebe Brüder im bischöflichen, priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus!
Sehr geehrter Herr Hauptpastor Röder! Haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihren freundlichen Willkommensgruß im Großen Michel in Hamburg! 

Die Lesung aus dem Ersten Buch der Könige, die Erzählung von Elija, einem der größten der sogenannnten nichtschreibenden Propheten des Alten Bundes, gehört zu den herrlichsten, jedoch auch zu den theologisch äußerst wichtigen Texten. Nach Mose kann Elija als Mann Nummer zwei des jahwistischen Glaubens betrachtet werden. Schon sein Name ist theophorisch und bekennerisch, eigentlich sein Lebensprogramm. Übersetzt heißt der Name „Jahwe ist Gott“. Ich denke, man muss sich beim Thema Übersetzung des Namens Jahwe ein wenig aufhalten. Sein Inkognito – Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs – enthüllt Gott an Mose am brennenden Busch (Ex 3,14ff): „Ich-bin-da“, wie die Übersetzung in der Jerusalemer Bibel lautet, oder „Ich werde sein“ in der Übersetzung Doktor Martin Luthers. Geeignet scheint uns auch, an die in der Septuaginta vorkommende Übersetzung „Der Seiende“ zu erinnern. Oder einfach „Er ist!“, wie es in seinem letzten, am elften November zweitausendelf stattgefundenen Gespräch Václav Havel zum Ausdruck brachte. Dennoch herrscht so viel Ratlosigkeit um die Frage „Ist Gott?“ oder besser „Was oder wer ist Gott?“ Unser Zeitalter, geprägt durch große Entdeckungen und Technologien, greift in unsere innere Welt ein. Dies ist meiner Meinung nach der Grund solcher Fragestellungen.

Der gegenwärtige Mensch sucht nach einem Modell, einem Schema oder einer graphischen Darstellung. Die Zivilisation der Bilder appelliert auf eine bildliche Darstellung oder Vision. Jedoch bereits vor Mose und ähnlich wie Elija begegnet Gott der Vater des Glaubens, Abraham. Wir fragen, was ihm erschienen sei und was er gesehen habe. Von der Heiligen Schrift selbst erwarten wir eine Antwort auf die Frage – „Wer ist Gott?“ oder „Wie sieht Gott aus?“ … Wie ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel (Gn 15,17). Als hörten wir die Worte der Erzahlung von der Theophanie während der Schließung des mosaischen Bundes (Ex 19,18). Ich empfehle diese Texte jenen über Elijas Theophanie eben bei dieser Vesper aus dem Ersten Buch der Könige gelesenen beizufügen.

Eine bestimmte Sichtweise berechtigt uns zur Behauptung, dass die Mehrheit der Menschen, wie sie es selber ausdrücken, „an etwas glaubt“. „Etwas muss sein. Etwas muss es geben.“ Hier sind wir vor allem am Phänomen des Glaubens bei den Tschechen in der postkommunistisch-postmodernen Gesellschaft angelangt. Es geht nicht um das Phänomen des Atheismus, sondern um einen Ausdruck von Aufrichtigkeit, die eine Ahnung der Wahrheit in sich birgt. Václav Havel schreibt in seinen „Briefen an Olga“ von ähnlicher Erfahrung. Es sind jene Briefe, die hier in Hamburg Anfang der Achtzigerjahre im Rowohlt-Verlag erschienen sind, kurz nachdem wir beide über dieses Thema im Pilsener Gefängnis Bory miteinander diskutiert haben. Ähnlich finden wir auch bei Rémy Brague angedeutet, dass jenes im Dunkel des Gartens unserer Erkenntnis geahnte und sich manifestierende Etwas mehr Person sei als die Menschen, denen wir begegnen. Jedenfalls, sagt er, gleiche jenes Etwas viel näher einer Person als einem materiellen Gegenstand. Genauer wäre die Formulierung „Gott ist überspersönlich“.

Haben wir uns in die Geschichte des Propheten Elija richtig hineingelesen, so werden wir bestimmt nur zustimmen können. Die innere Erfahrung der Immanenz Gottes ist jedoch nicht ausreichend. Sie ist nicht mitteilbar, aber auch nicht verifizierbar. Das unsichere Herumtasten ist oft durch die Ablehnung oder Nichtakzeptanz der Transzendenz Gottes verursacht. Jedoch nur so wird Gott zur Erklärung von Kosmos und Mensch. Dies ist das Thema der ganzen Bibel; deshalb stellt den größten Schatz des Pentateuchs nicht der Dekalog dar, sondern das Tetragramm: „Ich-bin-da.“ „Ich bin, der ich bin.“ „Er ist.“ Dann ist es von großer Bedeutung, das Jahr des Glaubens zu feiern, das uns nicht nur eine tiefere Einsicht in unser Inneres bringen wird, sonder auch das Licht für das Verstehen von Mensch und Welt.

 Gestatten Sie mir, meine Rede mit den Worten Carl Gustaf Jungs zu beenden: „Alles, was ich gelernt hatte, hat mich schrittweise zur felsenfesten Überzeugung von Gottes Existenz geführt. Seine Existenz betrachte ich nicht als Glaubensakt, ich weiß, dass er existiert!“ Wir wissen, dass „Er ist“ – das waren die Worte des Abschieds von Václav Havel. Es sind euch meine abchließenden Worte. Ich wünsche Ihnen allen, das Jahr des Glaubens möge Ihnen einen reichen Segen bringen. Amen.

Kardinal Dominik Duka OP