Dominik kardinál Duka OP 
emeritní arcibiskup pražský

Predigt für Forum Deutscher Katholiken, 2. August 2015

Predigt für Forum Deutscher Katholiken, 2. August 2015
10. August 2015
Predigten

Liebe Schwestern und Brüder in Christo, liebe Freunde!

 

Mit unserer gemeinsamen Eucharstiefeier geht der Kongress, dessen Motto „Freude am Glauben“ war, nun zu Ende.

In den Monaten Juli und August begehen wir die Feste von Heiligen, deren Namen in der Geschichte der Glaubensverkündigung einen besonderen Platz einnehmen. Der Glaube galt für sie immer als der entscheidenste Lebensmoment, manche haben für den Glauben  sogar ihr Leben hingegeben wie der heilige Jakobus der Ältere, Apostel Spaniens und Märtyrer der Jerusalemer Kirche, der  als der erste unter den Hochsommerheiligen genannt sei. Ferner sind da der heilige Ignatius von Loyola, Begründer der Gesellschaft Jesu, der heilige Dominikus, Vater des Dominikanerordens, sowie der heilige Alfons von Liguori, der die Kongregation der Redemptoristen, eifriger Volksmissionare, ins Leben gerufen hat. Diese Reihe von Heiligen eröffnet jedoch mit ihrem Fest die heilige Maria Magdalena, genannt Apostolin der Apostel sowie Apostolin von Provence oder auch ganz Frankreich. In diesem Jahr hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit gehabt, ihren Gedenktag zu erleben an Orten, wo sie sich der Überlieferung nach aufhielt, im Massif de la Sainte-Baume, sowie dann an dere Wallfahrtsfeier in Saint-Maximin-la-Sainte-Baume teilzunehmen, wo sich ihr Grab befindet.  Ein achttägiger Aufenthalt dort hat es mir ermöglicht, nicht nur über das Leben dieser Heiligen nachzudenken, sondern mich auch tiefer auf die Bedeutung ihres Kultes zu konzentrieren, der die wesentlichsten Momente unseres Glaubens berührt. Die als Sünderin geltende Frau wird zu einer Heiligen und  einzigartigen Glaubensverkünderin. Der Glaube entspringt der Verkündigung des Evangeliums, das eine gute und glückliche Botschaft ist. Evangeliumsverkünder kann nur ein Zeuge sein und unter den ersten Verkündern ist die allererste eben sie, Maria Magdalena. Der Verkünder ist Zeuge, und zwar unmittelbarer Augenzeuge, der aus seiner durch sein Leben erprobten Erfahrung spricht. Diese Erfahrung und dieses Zeugnis entsprang der Begegnung. Wesentlich ist hier nicht die Berührung wie bei dem heiligen Thomas, sonder das Hören der Wortes. Jenes Wortes, das in Jesus Christus Fleisch geworden ist. Jener stillen Anrede :„Maria!“. Gott spricht nicht wie ein Massenredner zu einer zusammengelaufenen Menge von Individuen, er redet jeden Menschen mit dessen Namen an. Er berührt sein Innerstes an. Das Wort ist jedoch kein bloßer Laut, das hebräische Dabar wird zum Wortereignis im Innern des Menschen, im Innern Maria Magdalenas. Dieses Wort verwandelt, stellt den Menschen auf die Beine, macht ein schwaches, sündiges Geschöpt zum Herold, zum Verkünder, zum Zeugen, der nun ganz verwandelt ist. Lasst uns die Szene vor Augen führen: Maria Magdalena bricht in der Morgendämmerung in den  Abendmahlraum ein: „Ich habe ihn gesehen! Er ist auferstanden! Er lebt!“ … Ihr Mittelmeertemperament lässt uns glauben, dass sie sich vor Freude kaum zu fassen wusste.

 

Meine Lieben, man sagt, der Glaube sei Gnade. Viele von uns verstehen unter diesem Ausdruck Begnadigung, Zugeständnis. Würden wir aber mit mit Verurteilten sprechen, die begnadigt wurden,so würden wir vielleicht etwas mehr von Freude wissen. Maria Magdalena wird im Laufe ihrer Kultgeschichte zu einer Gestalt, die die ganze Menschheit, jeden Menschen umfasst. Ihre Geschichte ist die Gechichte des Hoheliedes. „Des Nachts auf meinem Lager suchte ich ihn, den meine  Seele liebt…“ Die ganze große Geschichte der Liebe Gottes zum Menschen gipfelt in der Botschaft des alttestamentlichen Hoheliedes. Deshalb las und liest sie die Synagoge in der Osterzeit. Keine Sünde kann den Glauben mundtot machen, deswegen wäscht Maria Magdalena, eine Sünderin der Tradition nach, die Füße Christi mit ihren Tränen und trocknet sie mit ihrem Haar ab, und ihr Antlitz sagt uns, dass Gott mit seiner endlosen Liebe jeden Menschen liebt, auch den Sünder… „… als Mann und Frau schuf er sie,“ sagt das Buch Genesis in seinem Bericht über die Erschaffung des Menschen. Kunst, die bildende Kunst stellt eine Quelle dar, aus der die theologische Erkenntnis schöpft, dies betont der Begründer der neuzeitlichen Theologie, Melchior Cano OP. Die Kunst versinnbildlicht Maria Magdalena, um zu ermöglichen, dass man sich  der biblischen Aussage vom Menschen und der Gleichstellung beider Geschlechter, des Mannes und der Frau, vor Gott voll bewusst wird. Die aufbewahrten Reliquien der Heiligen, ihr Schädel und ein Teil des Skeletts aus dem ersten Jahrhundert bezeugen, dass sie eine schöne Frau vom Mittelmeerschlag gewesen sein muss.

 

Was weiß von dieser Tatsache die gegenwärtige Theologie, die oft nur von der psychologichen Dimension des Glaubens spricht, vom blinden Sprung ins Dunkel, während jeder der Mystiker weiß, dass der Glaube sowie die Liebe und die Hoffnung aus dem Sprung in die Tiefe jener Begegnung erwachsen, von der das Johannesevangelium erzählt, der Begegnung Maria Magdalenas mit ihrem geliebten Meister (Rabbuni). Bereits dieser Augenblick besagt, dass der Glaube kein blindes Bejahen ist, keine Überzeugung, kein Fanatismus, sondern dass der Glaube der mit Liebe erfüllten Erkenntnis entspringt. Die Begegnung dieser beiden Potenzen des Menschen ist die Quelle der höchsten Freude. Der Glaube erfordert nicht nur Mut, er gibt uns auch Kraft und Ausdauer. Denken wir nur an die Lebensgschichten heiliger Märtyrer. Vielleicht lächeln wir manchmal und denken, es handele sich um bloße Legenden, um Poesie. Ja, auch Poesie. Das Hohelied gehört doch zu den ältesten Hochzeitsliedern, es ist ein Kleinod der Weltpoesie und Weltliteratur, zugleich aber auch Wirklichkeit. Wirklichkeit, die unsere menschliche Schwäche, unseren Egoismus, unsere Mangelhaftigkeit überwindet. Wirklichkeit, die uns beflügelt. Ich bin Gott sehr dankbar, dass ich in meinem Leben Menschen begegnet bin, die mich lehrten, Legenden ernst zu nehmen. Diese Menschen waren nämlich selber zu Legenden geworden. Als Dominikaner muss ich an die Worte des heiligen Thomas von Aquin erinnern aus seiner Abhandlung Über die Macht Gottes. Beim Lesen des Satzes „Fides perfectio intellectus“ (Der Glaube vervollkommnet den Intellekt) fühlte ich mich wie von einem Blitz getroffen. Bezeugt  nicht die sogenannte Krise unseres Glaubens einen Niedergang der Rationalität sowohl im allgemeinen als auch im religiösen Leben? Ist es wirklich möglich, den Glauben zu verkündigen als einen Komplex von Moralvorschriften nebst Strafregister? Ist es ausreichend vom Glauben als nutzbringender Praxis zu sprechen? Fehlt da nicht Maria Magdalena, Apostolin der Apostel? In der Stunde, wo die Apostel zitterten und das Schifflein ihres Lebens auf Wellen großer Unsicherheit heftig schwankte, war es nicht sie und ihre Worte: „Er lebt! Er ist auferstanden!“, die wieder Hoffnung und Freude brachten? Ohne diese Freude ist unser Glaube tot. Unser religiöses Leben sieht oft danach aus, es ist vielmehr Begräbnis als Hochzeit. Einer der bedeutendsten neutestamentlichen Theologen,  Pierre Benoît OP sagt, die Textstelle über Maria Magdalena und ihre Begegnung mit dem Auferstandenen gehört zu den ältesten Teilen nicht nur des Joohannesevangeliums, sondern des Evangelium als solches. Heißt es nicht, dass dies der wesenlichste Ausdruck der frohen Botschaft, also des Evangeliums ist?

+Dominik Duka